Erlebnisse
In einer dunklen Ecke der Schänke "Zum Lachenden Barden" saßen drei Reisende. Sie waren enger aneinander gerückt und erzählten sich von ihren schrecklichsten Erlebnissen.
"Und ich sage euch, der Troll, den ich gesehen habe, war nicht nur grässlich gelb! Nein, er war riesig und stank nach Verwesung und Tod!" begann der erste von den dreien, "zum Glück hatte er mich nicht gesehen, sonst würde ich jetzt nicht hier sitzen!" "Mh..." meinte der zweite, "ihr habt den Troll nur von weitem gesehen?" "Na, soweit kann er ja nicht weg gewesen sein, sonst hätte er seinen Geruch nicht so eindrucksvoll beschreiben können" bemerkte der dritte Kaufmann.
"Ich war vielleicht 200 Meter von dieser Ausgeburt der Hölle entfernt, mehr nicht. Hätte er mich aufgespürt, ich wäre verloren gewesen." bekräftigte der erste seine Geschichte.
"Nun denn!" begann der Zweite, "auf meiner letzten Reise geriet ich in ein Scharmützel zwischen Waldelfen und Steppenorks. Es hagelte Steinäxte und Elfenpfeile, doch wie durch ein Wunder blieb ich unverletzt. Noch jetzt klingen die elenden, grausigen Schreie der Getroffenen in meinen Ohren. Ich sehe noch immer die Bilder des Kampfes vor meinen Augen."
Ein Schweigen folgte, das durch ein tiefes Seufzen des Dritten beendet wurde. "Mein Ereignis liegt schon einige Jahre zurück. Wie viele es nun genau sind, das weiß ich leider nicht mehr... es war einer jener Tage, an denen man besser zu Hause geblieben wäre, aber so etwas weiß man ja nicht vorher. Ich verabschiedete mich, wie immer, von meiner Frau und meinen Kindern, spannte den Esel vor meinen Karren und machte mich auf den Weg nach Aspen zum wöchentlichen Markt. Auf Höhe des Sumpfes, der auf halber Strecke lag, geschah es dann. Wie aus dem Nichts erschienen, stand dieser Oger vor mir. Seine giftgrüne Haut schillerte gefährlich und seine Zähne schienen frisch geschliffen zu sein. Er begrüßte mich mit einem dumpfen Grummeln und einer fordernden Geste. So gab ich ihm, wenn auch widerwillig, meinen Karren und meinen Esel und konnte mein Leben retten." "Das war wahrlich ein schreckliches Erlebnis." meinte der erste Reisende.
Der zweite nickte zustimmend, doch der Dritte winkte nur müde ab. "Die Geschichte ist ja noch gar nicht zu Ende erzählt. Wo war ich stehen geblieben? Ach richtig, der Oger hatte nach dem Esel und dem Karren verlangt. Er schickte mich mit einer herrischen Handbewegung weg, doch ich tat nur so, als ob ich wegrannte. Hinter einem verdorrten Haselnußstrauch fand ich genügend Deckung, um zu beobachten, was der Oger mit dem Karren und dem Esel vorhatte. Das giftgrüne Monster stellte sich direkt neben den Esel, öffnete den Mund..."
"und fraß ihn mit Haut und Haaren!" vollendete der Erste den Satz. "Nein!" erwiderte der Dritte verärgert über die Unterbrechung, "dies hatte er nicht getan. Nein, der Oger streichelte dem Esel sanft über das Fell, hob das Ohr meines grauen Tieres hoch und..." "biß es ihm ab." warf der Zweite ein.
Wieder zeigte sich der Dritte verärgert. "Dem war nicht so, nein. Der Oger sprach in das Ohr des Esels hinein, der Oger konnte tatsächlich sprechen. Mit einer sanften Stimme fragte er meinen Esel, ob er sprechen könne..."
Ein herzliches, ausgelassenes Gelächter der beiden anderen folgte. "Was lacht Ihr so? Meine Geschichte ist noch nicht zu Ende!" "Wie? Noch nicht zu Ende?" prustete der Erste und hielt sich mit lachender Miene seinen Bauch. "Ich bin doch kein Barde, der Euch zum Lachen bringen will... nein, das Schreckliche kommt erst noch!"
"Da der Esel nicht reden konnte, wurde er vom Oger verschlungen!" tippte der Zweite. "Nein! Verdammt nochmal, mein Grauer fing an zu reden! Nun schaut mich nicht so ungläubig an, vergorrich noch einmal. Mein Esel begann sich mit dem Oger zu unterhalten. Lautstark. Der Graue plapperte wie ein Wasserfall und erzählte dem Oger, wie schlecht ich ihn immer behandeln würde..."
"Daraufhin ist der Oger wütend losgelaufen, um Euch für diese bösen Taten zu fressen?" "Nein! Erst jetzt stürzte sich der Oger mit den Worten Und wieder einer dieser Nervensägen weniger! auf meinen undankbaren Grauen und verspeiste ihn mit Haut und Haaren. Und das war das Grausamste, was ich bisher zu sehen bekam!"
Autor: Andreas Fischer